Ankünfte von Flüchtlingen aus der Ukraine in Griechenland
Über 19.000 Menschen aus der Ukraine sind Mitte April 2022 in Griechenland angekommen. Die meisten von ihnen kamen über die griechisch-bulgarische Landgrenze, einige aber auch per Flugzeug auf den Flughäfen von Athen und Thessaloniki an. Die griechische Regierung ist den Menschen gegenüber sehr aufnahmefreundlich und garantiert ihnen Aufnahmekapazitäten und Unterstützung. Die Situation der Menschen in den griechischen Lagern ist jedoch nach wie vor katastrophal. Lesen Sie mehr darüber in dem Artikel von ECRE.
Wie in vielen anderen Ländern wird leider berichtet, dass Menschen aus ihren Unterkünften ausziehen müssen, um Platz für die neu angekommenen Menschen aus der Ukraine zu schaffen. Der Migrationsminister Notis Mitarachi wurde kritisiert, weil er am 1. März vor dem griechischen Parlament Ukrainer als “echte Flüchtlinge” bezeichnete.
“Zu einer Zeit, in der Griechenland Ukrainer als ‘echte Flüchtlinge’ willkommen heisst, schiebt es Afghan*innen und andere, die vor ähnlichem Krieg und Gewalt fliehen, auf grausame Weise zurück”, sagte Frelick. “Diese Doppelmoral macht die angeblich gemeinsamen europäischen Werte von Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde zum Gespött.” (Zitat aus dem Artikel von Human Rights Watch)
Lesvos
Ende April 2022 leben offiziell weniger als 1100 Asylbewerber*innen im Lager Kara Tepe. Mehr als die Hälfte von ihnen hat Asyl und einen Reisepass erhalten und wartet darauf, die Insel zu verlassen. Die meisten der im Lager Kara Tepe lebenden Flüchtlinge reisen von Mytilene aus mit Direktflügen über Athen in ein anderes europäisches Land ab. Nach Angaben des Ministeriums für Einwanderung und Asyl bedeutet dies, dass die Abflüge nach den Osterfeiertagen zunehmen werden, da die Plätze billiger sind als während der Feiertage. “Ende Mai wird es auf Lesvos mit etwas Glück ein Camp mit weniger als 700-800 Asylbewerber*innen geben”, heisst es bezeichnenderweise.
Pushbacks, Todesfälle und Ankünfte
Wie Aegean Boat berichtet, versuchte ein Boot mit 57 Personen an Bord in den frühen Morgenstunden des 20. Mai, von Berham in der Türkei aus in den Norden von Lesvos überzusetzen. Als sie sich tief in griechischen Gewässern Lesvos näherten, wurden sie offenbar von der griechischen Küstenwache gestoppt, der Motor wurde zerstört und sie wurden über die Grenze zurück in türkische Gewässer geschleppt. 57 Menschen aus Afghanistan, darunter 27 Kinder, wurden bei dieser Aktion von den griechischen Behörden zurückgedrängt, und ihr Recht, Asyl zu beantragen, wurde ihnen verweigert.
Am frühen Freitagnachmittag, dem 15. April, wurde die Leiche eines Kindes von einem Segelboot im Meer vor der Insel Heraklia (Kleine Kykladen) in der zentralen Ägäis gefunden. Die Leiche war nur mit einer weissen Bluse bekleidet und man schätzt, dass es sich um ein Kind im Alter zwischen 12 und 15 Jahren handelt. Die Überreste befanden sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Verwesung und nicht einmal das Geschlecht des Kindes konnte identifiziert werden. Nach Angaben der Behörden könnte das Kind zu den Vermissten gehören, die beim Schiffbruch zweier Flüchtlingsboote vor den Inseln Paros (25. Dezember) und Folegandros (22. Dezember) an Weihnachten letzten Jahres (2021) ums Leben gekommen sind.
Die Leiche eines weiteren Kleinkindes wurde am 8. Januar, zwei Wochen nach den beiden tödlichen Vorfällen, aus der Ägäis vor der Insel Naxos in Griechenland geborgen; die Behörden gehen davon aus, dass dieses Kind, das etwa drei Jahre alt und ca. 84 cm gross war, ebenfalls ein Opfer dieser Vorfälle ist.
Am 6. Januar wurden vier weitere Leichen eines Mannes, einer Frau und zweier Mädchen im Alter etwa von zehn Jahren gefunden, drei vor Naxos und eine vor der nahe gelegenen Insel Paros.
Noch immer werden Menschen vermisst, die bei diesen beiden tödlichen Schiffsunglücken an Weihnachten letzten Jahres ums Leben gekommen sind, einige werden nie gefunden werden.
Bis zum 24. April sind laut Aeagean Boat Report 21 Boote mit 292 Menschen an Bord auf den griechischen Inseln angekommen. Im gleichen Zeitraum wurden nach Angaben der türkischen Regierung 96 Boote mit 2661 Menschen auf der Suche nach Sicherheit von der türkischen Küstenwache oder der türkischen Polizei angehalten. Einige von ihnen befanden sich möglicherweise vorher bereits in griechischen Gewässern oder auf griechischem Boden.
Kritik an Frontex
Journalist*innen verschiedener Medien haben recherchiert und herausgefunden, dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex in zahlreiche Pushbacks verwickelt war, bei denen Flüchtlinge auf See zurückgedrängt oder von Land zurück aufs Meer gebracht und dort zurückgelassen wurden, ohne die Möglichkeit, Asyl zu beantragen. Frontex hat dies aber falsch in ihrer Datenbank deklariert. Offensichtlich wurden Fälle, in denen Menschen griechische Gewässer oder sogar griechisches Land erreichten, als “Verhinderung der Ausreise” dokumentiert, was eigentlich die Kategorie für Fälle ist, in denen Menschen gemeldet werden, die türkische Gewässer nie verlassen haben und daran gehindert wurden, griechisches Hoheitsgebiet überhaupt zu erreichen. Dies wird auch von Frontex-internen Quellen bestätigt. Solche Fälle von Pushback sind aus rechtlicher Sicht höchst problematisch. Frontex ist in der Regel nicht direkt an den Pushbacks beteiligt, sondern meldet gesichtete Boote und Personen an die griechische Küstenwache, die die Menschen dann später zurücklässt. Dennoch ist Frontex durch seinen Einsatz in der Ägäis rechtlich verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen, die dort geschehen. Zum Beispiel, indem sie die griechische Küstenwache unterstützt oder die ihr obliegende Überwachungsfunktion nicht wahrnimmt. Frontex weiß eigentlich spätestens seit dem Frühjahr 2020 durch Videoaufnahmen, dass Griechenland angeblich Grundrechte in der Ägäis verletzt, streitet dies aber immer ab. Dennoch soll das Budget von Frontex in den nächsten Jahren massiv aufgestockt und die Zahl der Beamten in den nächsten fünf Jahren auf 10’000 verdoppelt werden.
Neben diesen Ermittlungen gibt es auch eine seit Jahren andauernde Untersuchung von Frontex durch das EU-Betrugsbekämpfungsamt OLAF. Nach Angaben von vier EU-Beamten hat das EU-Betrugsbekämpfungsamt OLAF eine Untersuchung gegen Frontex wegen des Vorwurfs der Belästigung, des Fehlverhaltens und der Zurückdrängung von Migrant*innen eingeleitet. Obwohl dieser OLAF-Bericht selbst geheim gehalten wird, sagen zwei Quellen mit Kenntnis der Untersuchung, dass der Exekutivdirektor von Frontex, Fabrice Leggeri, und sein ehemaliger Kabinettschef, Thibauld de la Haye Jousselin, in der Untersuchung genannt werden. All diese Ermittlungen und Berichte haben Frontex in den letzten Tagen unter Druck gesetzt und auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson wurde am 24. März von einer in den Niederlanden ansässigen zivilgesellschaftlichen Organisation in einem rechtlichen Hinweis aufgefordert, einen Vorschlag zur Entlassung von Frontex-Chef Fabrice Leggeri vorzulegen. Nachdem sich die Vorwürfe aus den seriösen Untersuchungen der unabhängigen EU-Korruptionsbekämpfungsagentur nun endlich bestätigt haben, ist es nur konsequent, dass der Frontex-Direktor inzwischen seinen Rücktritt eingereicht hat. Denn die Kritik an Fabrice Leggeri ist eigentlich alt: Er ist auf einem Auge fast blind, nämlich auf dem Auge, das seine eigene Arbeit selbstkritisch reflektieren sollte. Die strukturellen Probleme dieser Agentur sind aber so fest verankert, dass sie mit dem Rücktritt des Direktors kaum gelöst werden. Denn dasselbe Gremium, das nun Leggeris Rücktritt hinnehmen muss – der Frontex-Verwaltungsrat – hat die Agentur vor einigen Monaten reingewaschen. Frontex habe nichts falsch gemacht. Nicht einmal Leggeri. Das ist logisch. Die Untersuchung war nicht unabhängig.