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OHF - Cedric Fettouche - no rights (33)

One Happy Family

Oktober 2019

Situation auf Lesbos

Ankünfte im September
Die Zahl der Ankünfte bleibt im September kontinuierlich hoch. Bis zum 29. September kamen 4795 Männer, Frauen und Kinder an. Dies führt zu einer Gesamtzahl der Ankünfte im Jahr 2019 von 16’022 Menschen. 10’170 Transfers auf das Festland wurden offiziell durchgeführt. Insgesamt gibt es auf der Insel Lesbos 14’911 Menschen im Asylverfahren oder auf der Suche nach Asyl. Die Situation auf den anderen Inseln ist sehr ähnlich, denn am 29. September sassen insgesamt 30’778 Menschen auf den Ägäischen Inseln fest.

Moria
Das Camp Moria wurde bereits als "Hölle" bezeichnet als 10’000 Menschen im Camp festsassen. Die Bedingungen haben sich noch verschlechtert, im Moment müssen ungefähr 13’000 Männer, Frauen und Kinder das Leben in und ausserhalb von Moria ertragen. Rund 130 Menschen schlafen noch immer ohne Zelt - auch wenn es bereits starke Regenfälle gab. Die Verantwortlichen des Moria-Camps gaben bekannt, dass sie nach Erreichen von 12’000 Personen keine zusätzlichen Personen mehr aufnehmen könnten, was bereits das Vierfache der offiziellen Kapazität ist. Über 4500 der Menschen sind Kinder, etwa 1000 dieser Kinder sind unbegleitete Minderjährige.

Auseinandersetzungen und Aufstand in Moria
Am 29. September gab es ein Feuer in Moria, infolgedessen zwei Menschen ihr Leben verloren. Es gibt Berichte über weitere Todesfälle, diese sind jedoch bislang unbestätigt.
Es ist ausserdem weiterhin ungeklärt, ob zuerst das Feuer oder der Aufstand stattfand. Auch der genaue Auslöser des Feuers ist bisher ungewiss. Eines ist jedoch gewiss: die Lebensbedingungen in und ausserhalb von Moria sind untragbar und in keinster Weise sicher.

Notfallsituation
Selbst nachdem die Situation in Moria als Notsituation bezeichnet wurde, gibt es derzeit noch keinen wirklichen Notfallplan, auch nicht für den Winter. Basisorganisationen versuchen einzugreifen und stellen gleichzeitig Grundbedarfsartikel wie Decken, Zelte und Paletten zur Verfügung, die unter die Zelte gelegt werden können, damit das Regenwasser wenigstens nicht noch von unten in die Zelte gelangt.

Keine Leitung in den Camps
Derzeit haben weder Kara Tepe noch Moria eine/n Chef/in. Wie bereits im letzten Newsletter erwähnt, wurde der Vertrag von Kara Tepes-Chef Stavros Mirogiannis nicht verlängert und Giannis Balbakakis, der seit 2016 das Camp Moria geleitet hatte, trat zurück und sagte: "Ich bin müde". Im Moment gibt es in beiden Camps somit keine aktive Managementleitung, was eine Unsicherheit hinterlässt.

Projekteinblicke: Bank

Heute werfen wir einen Blick auf die Bank von One Happy Family, wahrscheinlich nicht etwas, was man erwarten würde, aber hier lernt man, das Unerwartete zu erwarten!
Als unverzichtbare Grundlage von One Happy Family begrüsst die Bank täglich über 600 BesucherInnen. Unsere Bankiers begrüssen nicht nur die Menschen im Gemeinschaftszentrum, sondern fügen auch die vielen neuen BesucherInnen zu unserem System hinzu (im Moment haben wir einen Anstieg von 60% der Neuanmeldungen im Bankensystem), informieren die Menschen über das Geschehen und verteilen natürlich "drachma", alias "funny money".
Die Drachmen wurden von einem unserer Gründer erfunden und ist eine selbstgemachte Währung, die den Besuchern jeden Tag, an dem sie die OHF-Bank besuchen, abgegeben wird.
Ausserhalb des OHFs haben unsere Drachmen keinen finanziellen Wert, aber den ganzen Tag über können BesucherInnen einen Kaffee im Café, einen Haarschnitt im Friseursalon, Hygieneartikel in unserem Shop oder sogar Englischunterricht in der Erwachsenenschule «kaufen».
Es wurde einmal gemunkelt, dass es auf Lesbos einen Schwarzmarkt für OHF-Drachmen gäbe, so dass wir jetzt auf jeder einzelnen Drachme einen Stempel oder eine persönliche Notiz (Happy Drachma!) geben, um diesen etwas lustigen und nicht so kriminellen Untergrund zu verhindern.
Die Bank ist eine sehr beliebte Aufgabe bei unseren Freiwilligen, da sie es ihnen ermöglicht, Gesichter mit Namen zu versehen und die Menschen, die sie jeden Tag sehen, ein wenig besser kennenzulernen.
Anna_Meet the family

#MeetTheFamily: Anna

Anna!
Was für eine Freude, dich in den letzten Monaten hier zu haben! Du bist im Frühjahr zum ersten Mal bei One Happy Family ehrenamtlich tätig geworden - und dann zurückgekommen und hast die Verantwortung für die Schichtkoordination übernommen. Das bedeutet, dass Anna nicht nur alle unsere Freiwilligen koordiniert hat, sondern sich auch sehr schnell in das gesamte Team unseres Gemeinschaftszentrums integriert hat.
Wir hoffen, dass du in den nächsten Monaten dein Herz mit noch mehr Begegnungen füllen kannst und wünschen dir viel Energie für das Spiel "hi-ha-hu-hu" und all die anderen lustigen Dinge.
Vielen Dank!
Anna’s Wunsch.....
Langfristig wünsche ich mir, dass wir das OHF schliessen können - weil dieser Ort nicht mehr gebraucht wird. Aber für den Moment, in der nächsten Zeit, wünsche ich mir, dass die positive Energie hier bestehen bleibt und wir immer wieder darüber nachdenken, was dieser Ort sein soll: Ein Ort der Begegnung. Ein Ort, an dem wir uns als Menschen treffen und kennenlernen und uns gegenseitig unterstützen können.
Anna’s Nachricht an dich…
Offene Herzen & offenes Denken!
Überzeuge dich selbst, höre auf dein Herz, höre auf andere Menschen, sei offen für andere Menschen und ihre Geschichten und versuche, über deine Ideen/Ansichten nachzudenken und diese herauszufordern - kurz: sei aufgeschlossen!
“ Offene Herzen und offenes Denken!”
Anna, ehemalige Volontärin

Neuigkeiten aus dem Community Center

Notfallunterstützung
Wir sind sehr besorgt über die aktuelle Situation auf der Insel und versuchen, so viel wie möglich zu unterstützen. Deshalb haben wir Schlafsäcke und Decken an Refugee4Refugees übergeben, die diese verteilen. Gleichzeitig unterstützten wir Stage 2, das Camp für neu angekommene Menschen im Norden der Insel, mit Zucker, Tassen und Zahnbürsten aus unserem Center. Wir haben auch einige Tage lang geholfen, viele Paletten zu transportieren, welche Mouvement on the ground den Menschen gibt. Die Paletten werden, wie bereits erwähnt, unter die Zelte gestellt.

Datenerhebung
Da die Zahlen in Moria stetig höher werden, steigen auch die Besucherzahlen des OHF täglich. Mit diesem Anstieg der Besuchenden wird es immer schwieriger, Entscheidungen zu treffen, die ausschliesslich auf zwischenmenschlichen Beziehungen und allgemeiner Beobachtung basieren. Deshalb haben wir begonnen mehr Daten zu sammeln, um die Dienstleistungen zu verbessern und bessere Entscheidungen treffen zu können. Wir tun dies, indem wir BesucherInnen, die am Gate ein- und ausgehen in 30-Minuten-Perioden zählen, um festzustellen, wie viele BesucherInnen gleichzeitig vor Ort sind. Ausserdem werden Löffel vor und nach dem Mittagessen gezählt, um festzustellen, wie vielen Personen wir Essen geben (der Vergleich mit den Gate-Daten hilft uns zu bestimmen, wie fair die Essensschlange ist). Des Weiteren evaluieren wir die Anzahl der Aufträge im Café, um die Nachfrage dort nachzuvollziehen. Zusammen mit der Bank, die als Datenerfassungsstelle genutzt wird, hoffen wir Zusammenhänge zu finden, um die Nachfrage nach Dienstleistungen wie Nahrung, Wasser und allen anderen Dienstleistungen im OHF besser vorhersagen können.

Viele neue BesucherInnen im OHF
Mit der Zunahme der neuankommenden Menschen begrüsst unser Gemeinschaftszentrum, wie bereits erwähnt, ebenso viele neue Gesichter. Bei unserer Bank merken wir bei der Registrierung, wer zum ersten Mal kommt und können ihnen dann einige Informationen über das Zentrum im Allgemeinen und unsere Abläufe erklären, z.B. wann das Mittagessen verteilt wird. Wir haben auch einen Info-Flyer in Farsi, Englisch, Französisch und Arabisch, der verteilt wird und arbeiten wieder an einer visuelleren Übersicht/Karte des OHFs.

Strandreinigung
Vom Weltklimatag bis zur Weltreinigungswoche. Gemeinsam mit Partnerorganisationen haben wir beschlossen, uns um die Strände von Lesbos zu kümmern und den dort liegenden Müll zu entsorgen: Um die natürliche Schönheit dieser Insel wiederherzustellen, die uns allen am Herzen liegt. Anhand von speziell vereinbarten Uhrzeiten vor Beginn der Öffnungszeiten des OHFs und mit ca. 15 OHF-Freiwilligen haben wir an zwei Tagen zwei nahegelegene Strände gereinigt.

Baby-Kätzchen im OHF
Eines Tages kam eine Katze im OHF an, was in Lesbos an sich nicht ungewöhnlich ist, aber diese entschied sich, in der Nähe zu bleiben und wurde bald Teil der Familie! Die Katze erhielt viel Aufmerksamkeit, vor allem von unseren vielen Besuchern, und wurde liebevoll Steve genannt.
Es stellte sich heraus, dass Steve nicht so treffend benannt wurde, da sie bald unseren Garten als Geburtsstation ihrer Kätzchen nutzte! Steve hat jetzt nur noch ein schönes kleines Kätzchen und wurde selbst sterilisiert, dank einer Spende von einer unserer alten Freiwilligen!
OHF begrüsst jeden, sogar Katzen, aber Steve ist etwas Besonderes und wir wollen bei nur einem bleiben, damit wir ihr die Aufmerksamkeit schenken können, die sie verdient.... wenn jemand jemanden kennt, der nach einem Kätzchen sucht: Steves kleines Mädchen ist weiterhin auf der Suche nach einem Zuhause.
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Änderungen im System des Friseursalons
Durch eine Anpassung der Zeitzuweisung für einen Haarschnitt haben wir die Wartezeiten der Besucher am Tor um ca. 250 Stunden pro Woche reduziert, da sich unsere Besucher nicht mehr früh am Morgen vor dem Tor aufstellen, um einen Coiffeur-Termin zu ergattern - Wir verwenden ein Lotteriesystem, um zu bestimmen, wer einen Haarschnitt bekommt. 18 Freiwilligenstunden wurden ebenfalls eingespart, indem kein Freiwilliger den ganzen Tag vor dem Friseursalon sitzt, da die Anmeldung morgens erfolgt und dann tagsüber die Friseure die Namen der Kunden überprüfen. Ausserdem konnten wir die Nachfrage infolge des Systemwechsels überwachen - im Moment nehmen 30-45 Besucher an der Verlosung teil und wir machen 8-12 Haarschnitte pro Tag.
Clinic waiting area

Bild des Monats: Klinik

Unsere Medical Volunteers International-Klinik (MVI) hatte einen arbeitsreichen Sommer! Wie du aus den Daten ersehen kannst, ist der Anstieg der neuankommenden Personen auf der Insel enorm. Immer häufiger sehen wir Menschen, die vor kurzem angekommen sind und keine Ahnung haben, welche Dienstleistungen ihnen zur Verfügung stehen um ihre Grundbedürfnisse zu decken. Der Registrierungs- und Identifizierungsprozess in Moria braucht Zeit, was auch den Zugang zu Diensten verzögert. Die Bevölkerung in Moria ist stark traumatisiert, und dieser Mangel an Informationen und Dienstleistungen verstärkt ihren Stress weiterhin. Es ist auch eine grosse Anpassung für Neuankommende nötig, um sich ihrer neuen Realität auf Lesbos zu stellen.

Wir haben derzeit 4 Ärzte, eine Krankenschwester, einen Physiotherapeuten und mich als Krankenschwester und Koordinator. Unsere Klinik ist immer voll, und wir sehen eine Vielzahl von Fällen, die von aufgeschürften Knien bis hin zu schweren psychiatrischen Fällen reichen. Im Monat August behandelten wir rund 800 medizinische Fälle und rund 250 Menschen nutzten unsere physiotherapeutischen Dienstleistungen. Wir werden die Menschen hier weiterhin durch eine ganzheitliche Betreuung unterstützen. Leider besteht nach wie vor ein grosser Bedarf nach medizinischer Unterstützung, vor allem im Winter.
Impressum
Inhalt: Jael Tobler
Datum: 30/9/2019
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