Moria ist abgebrannt…

In der Nacht vom 8. September zerstörte ein Feuer das gesamte Camp Moria. Das Feuer brach an mehreren Stellen innerhalb des Lagers aus, nachdem 35 Personen positiv auf COVID getestet und angewiesen worden waren, sich innerhalb des Lagers ohne eine ordnungsgemässe Quarantäneeinrichtung zu isolieren. 

Über 12700 Menschen flohen aus dem brennenden Camp. Kinder, Frauen und Männer, die versuchten, sich aus dem Feuer zu retten, trafen auf Polizei, die Tränengas gegen sie einsetzte, und andere Strassenblockaden errichtete. 

Ende September ermittelt die Polizei wegen Brandstiftung gegen sechs junge Geflüchtete. Niemand wurde durch das Feuer verletzt. 

12’700 Menschen auf der Strasse

Zwischen dem 8. und 17. September mussten Menschen aus dem Camp Moria im Freien auf der Strasse und an den Stränden schlafen, mit nichts, ausser dem wenigen, was sie vor dem Feuer retten konnten. Einige wenige Menschen wurden vorübergehend in Booten im Hafen untergebracht. Für den Rest fehlte es an allem – Essen, Notschlafplatz und sanitäre Einrichtungen. Trotz all diesen Widrigkeiten wollte kein einziger Mensch zurück im Camp Moria sein.

Hilfsorganisationen wie One Happy Family sprangen erneut ein und unterstützten zusammen mit Einheimischen, wo sie nur konnten. Doch diese Hilfe reichte natürlich bei weitem nicht aus. Europa muss handeln! 

Menschen stehen Schlange um Essen von NGOs zu erhalten, während sie tagelang im Freien ausharren müssen. 

und was jetzt…?

Ein neues “provisorisches” Zeltlager wurde in der Gegend von Kara Tepe errichtet. Es soll eine Kapazität von 12’000 Personen haben. Aber die Zelte entsprechen keinem Mindeststandard; sie haben keine Art von Bodenbelag, keine Isolation und sind nicht einmal mit Schlafmöglichkeiten ausgestattet. Am 17. September wurden die Menschen unter einem massiven Polizeiaufgebot dazu gezwungen, in das neue Camp zu gehen. Medien und Journalisten durften die neuen Unterkünfte nicht besichtigen. 

Die meisten Menschen wollten die neue Einrichtung nicht betreten, da sie Angst haben, erneut für mehrere Monate eingesperrt zu werden und unter ähnlich unmenschlichen Umständen wie im Camp Moria gefangen zu sein. Da die griechischen Behörden ankündigten, dass sie nur die Asylanträge der Personen bearbeiten werden, die sich in der neuen Einrichtung registrieren lassen, hatten sie jedoch kaum eine andere Wahl. 

Unzureichende Reaktionen vor Ort und von der Politik

Zelte sind keine angemessene Lösung für den Winter auf Lesbos. Das hat die ganze Welt bereits im Winter 2015/16 gelernt, als Menschen erfroren oder beim Versuch, warm zu bleiben, starben. Was wir brauchen, ist eine politische Lösung; eine EU-Migrationspolitik 2.0 und nicht ein Moria 2.0. Der neue EU-Migrationspakt, der am 23. September angekündigt wurde, wird die Probleme auf den Ägäischen Inseln nicht lösen. Die angekündigten Massnahmen konzentrieren sich vor allem auf die Beschleunigung der Asylverfahren, scheitern aber erneut daran, ein System zu schaffen, in dem die Menschenwürde gewahrt und die grundlegenden Menschenrechte eingehalten werden. 

Weitere Eindrücke von der neuen Einrichtung findest Du hier: https://www.facebook.com/AegeanBoatReport/photos/pcb.924537871402651/924547721401666  

Abschreckung

Die schlecht gebaute neue Einrichtung scheint der Absicht der Griechen gerecht zu werden, Menschen davon abzuschrecken, nach Lesbos zu kommen. Bereits die unmenschlichen Bedingungen im Camp Moria schienen den Menschen, die das Mittelmeer überqueren wollten, zu signalisieren: “Es ist schlecht hier drüben, kommt nicht hierher”. Die neue provisorische Struktur wiederholt diese Botschaft. Die Weigerung Griechenlands, 1500 Flüchtlinge nach Deutschland durchzulassen, ist ein weiteres Zeichen dafür, dass Griechenland das Leiden der Menschen akzeptiert. Etwas, das von den anderen europäischen Ländern nicht akzeptiert werden kann und darf.

Wir haben gehört, dass die EU bereit ist, zu helfen. Der einzige Weg zur Hilfe besteht darin, ein konsequentes Umsiedlungsprogramm zu schaffen, das gleichzeitig der griechischen Regierung, den Einheimischen und den Asylsuchenden Hilfe bietet. Wir kennen die starke Anti-Migrationspolitik, die die griechische Regierung seit ihrer Wahl im Juli 2019 betrieben hat und sprechen uns klar dagegen aus. Ohne dauerhafte Lösungen seitens der EU wird die griechische Regierung ihren Plan der geschlossenen Lager und der Push-Backs vorantreiben, um die Menschen davon abzuhalten, an die Hotspots zu gelangen.

Schnelle Verbreitung von COVID

Aus dem neuen provisorischen Camp in Kara Tepe wurden bis zum 21. September mehr als 240 Fälle gemeldet. Der erste bestätigte Fall von COVID wurde am 2. September verzeichnet, 35 positive Fälle wurden bis zum 9. September bestätigt. Die erste Reaktion der Beamten bestand darin, das gesamte alte Camp in Moria für zwei Wochen unter Quarantäne zu stellen, ohne jegliche zusätzliche medizinische Unterstützung innerhalb des Lagers bereitzustellen. 

In der neuen Einrichtung wurden zwei Quarantänezonen angekündigt, die jedoch noch nicht errichtet worden sind. Das Risiko, dass sich COVID in einer derart chaotischen und verheerenden Situation ausbreitet, steigt deutlich. COVID scheint momentan jedoch die geringste Sorge vieler zu sein; die Menschen versuchen vielmehr, sich in einer der unmenschlichsten Bedingungen in Europa in Sicherheit zu bringen und brauchen dafür all ihre Energie. Bei ihrer Ankunft im neuen Camp, werden aktuell alle einem PCR-Schnelltest unterzogen, um die Ausbreitung von COVID zu überwachen. 

Bootsankünfte

Das erste Boot kam in diesem Monat am 6. September mit etwa 25 Personen an Bord an, darunter Frauen, Männer und Kinder. Dies war die erste Bootsankunft seit dem 12. August. Der besorgniserregende Trend der rigorosen Push Backs seitens der griechischen Küstenwache scheint sich auch in diesem Monat fortzusetzen: Während bis zum 20. September nur 3 Boote auf Lesbos ankamen, wurden 24 Boote angehalten und ihnen wurde die Einfahrt in europäische Gewässer verweigert. 

Anzahl Menschen auf den Inseln 

Am 18. September meldet die griechische Regierung 12.767 Personen in Moria, obwohl das Camp damals bereits nicht mehr existierte. Insgesamt werden 14548 Personen auf Lesbos gezählt, 3746 auf Chios, 4821 auf Samos und etwa 3400 auf den anderen Ägäischen Inseln. Dies führt zu einer Gesamtzahl von über 26400 Menschen, die derzeit festsitzen, während Europa weiterhin über Migrationspolitik diskutiert. 

Nach dem ersten bestätigten COVID-Fall im Camp Moria wurden die Transfers auf das Festland vorerst auf Eis gelegt. Nach dem Brand kündigte die EU an, 400 unbegleitete Minderjährige auf das griechische Festland zu transferieren. 

Quelle: Douglas Herman, Gründer von Refocus Media Labs: https://www.facebook.com/refocusmedialabs  

Während der 10 Tage, in denen die Menschen auf den Strassen und an den Stränden zurückgelassen wurden, kam es zu spontanen Demonstrationen. Singende Frauen führten grosse Gruppen friedlich demonstrierender Migrant*innen und Geflüchteten mit Kindern in Richtung Mytilini. Sie alle forderten auf eine friedliche Art Freiheit. Die örtliche Polizei, die von einer Polizeitruppe vom Festland aus verstärkt wurde, hinderte den Protestzug durch den Einsatz von Tränengas gegen diese Frauen und Kinder, so dass sie Mytilini nicht erreichen konnten.