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pic of bike repair project in makerspace

One Happy Family

Juni 2019

Situation auf Lesbos

Bislang waren es im Mai 501 Menschen, die mit 17 Booten auf die Insel gekommen sind (Stand: 27.Mai). Inklusive dieser Personen sind 3225 Ankünfte im Jahr 2019 registriert worden.
Die Transfers auf das Festland betrugen im Mai 1017 Personen, 2019 waren es insgesamt 4600. Aber obwohl diese Zahl der Transfers hoch erscheinen kann, gibt es auf Lesbos immer noch 6667 Menschen, die hier ihren Asylantrag gestellt haben und festsitzen. Ausserdem wurden im Mai 120 Boote von der türkischen Küstenwache/Polizei angehalten. 3658 Menschen suchten Zuflucht, wurden jedoch in die Türkei zurückgebracht und dort für illegalen Grenzübertritt verhaftet.

Freispruch für die Angeklagten der Proteste auf dem Sappho-Platz
Am 9. April 2019 wurden vor dem Gericht von Mytilene die 110, welche wegen Widerstandes gegen Behörden, Unruhen und illegaler Besetzung von öffentlichem Eigentum vor Gericht standen, für nicht schuldig befunden.
Mehr dazu in der Pressemitteilung des Legal Centre of Lesvos: https://legalcentrelesvos.org/2019/05/11/trial-of-sapfous-122-not-guilt-verdict-on-all-charges/

Wahlen
Bald stehen die Wahlen in Griechenland an. Wir sind bereits ein wenig besorgt über das Ergebnis und die Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen, die Griechenland als ihre neue Heimat betrachten müssen.

Weitere Einblicke
In diesem Monat haben mehrere Zeitungen wieder über die Bedingungen auf Lesbos und Samos berichtet. Wir möchten einige Artikel mit dir teilen:

Einblicke in die Projekte

Das Vorbeigehen am Makerspace ist immer ein interessantes Erlebnis, das meist mit dem Ausweichen vor Funken, dem Springen über Fahrräder oder dem Erstaunen über ihre neuesten Low-Tech-Erfindungen verbunden ist. Das Makerspace Low-Tech-Labor ist eines der neuesten Projekte im One Happy Family, das im Dezember letzten Jahres mit dem Ziel gestartet wurde einfache Technologien zur Deckung der Grundbedürfnisse der hier lebenden Geflüchteten zu entwickeln.
Um euch ein Beispiel zu geben: Letzten Monat hat das Team einen Raketenofen aus einem Metallfass, einer Olivendose (wir sind ja in Griechenland) und anderen recycelten Materialien hergestellt, der eine superreine und hocheffiziente Möglichkeit bietet, Holz zum Kochen zu verbrennen.

Einer der grossen Erfolge des Makerspaces in den letzten Monaten war das Fahrradverleih- und Reparaturprojekt (siehe Titelbild). Der französische Freiwillige Pierre, der das Projekt gestartet hat, zeigt Geflüchteten, die mit kaputten Fahrrädern in den Makerspace kommen, wie man sie repariert.
«Die Idee ist, dass ich die Menschen, die kommen, unterrichte», erklärt er. «Wenn jemand sein Fahrrad den ganzen Tag stehen lassen würde, würde er abends zurückkommen und es wäre immer noch kaputt. Ich würde es überhaupt nicht berühren, weil das nicht das Konzept ist. Es geht wirklich darum, unterwegs ein paar Fähigkeiten zu erwerben, nicht nur die Räder zu reparieren.»
Dank des Projekts ist es heute üblich, dass Geflüchtete mit dem Fahrrad auf Lesbos herumfahren. «Es ist wirklich schön zu sehen, wie jemand mit einem wirklich kaputten Fahrrad reinkommt und dann mit ihm nach Moria zurückfährt», sagt Pierre. «Oder man sieht sie in der Stadt und weiss, dass sie wirklich weit weg wohnen und dann sieht man sie neben dem Flughafen beim Fischen.»
Der Makerspace hat zwei Helfer, Mehdi und Mohammad, die sich auf Zimmerei- bzw. Metallarbeiten spezialisiert haben. Besucher und Besucherinnen sowie Freiwillige kommen regelmässig in den Raum und bitten sie, defekte Geräte zu reparieren oder ihnen einzigartige Geschenke zu machen.

Im nächsten Monat wird der Makerspace Fahrradmechaniker-Kurse veranstalten, um den Teilnehmern und Teilnehmerinnen professionelle Fähigkeiten zu vermitteln, die es ihnen ermöglichen könnten, in einem Fahrradgeschäft zu arbeiten. Dies ist ein weiteres wichtiges Ziel des Raumes - den Geflüchteten Fertigkeiten beizubringen, die sie nutzen können, um ihre Zukunft zu verbessern und Arbeit zu finden.
«Wie beim Erlernen von Englisch oder Griechisch können sie auch das Schweissen lernen und wir halten es für wichtig», fügt Pierre hinzu. Es gibt den Menschen auch das Vertrauen wieder etwas tun zu können und wieder an die Arbeit zu gehen.
a pic of Mehdi from the makerspace standing by a solar oven made for the rescue boat Mare Liberum

#MeetTheFamily

Hallo, mein Name ist Alem und ich komme aus Afghanistan. Ich arbeite bei One Happy Family als Leiter des Sicherheitsteams.

Als ich in Griechenland ankam, war ich die ganze Zeit in Moria. Einer meiner Mitbewohner war früher Lehrer zu Hause und fragte mich, ob ich Englisch spreche. Ich sagte nein. Also ermutigte er mich, aus Moria hinauszugehen und etwas zu lernen.
Früher ging ich zu One Happy Family, um im Fitnessstudio zu trainieren, Leute kennenzulernen und Freunde zu finden. Ich nahm ihn mit, um ihm den Ort zu zeigen und etwas zu unternehmen. Innerhalb einer Woche begann er dort als Lehrer zu arbeiten, und ich begann jeden Tag Englischunterricht zu nehmen.

Ich habe etwas Erfahrung im Bereich Sicherheit und mochte den Ort sehr und wollte Helfer werden. Nach sechs Monaten, nach denen mein Englisch besser war, fragte ich das Team; sie gaben mir eine einwöchige Probezeit und ich war sehr glücklich. Das war im letzten August und seitdem arbeite ich bei One Happy Family.

Ich mag den Ort und ich mag die Menschen, alle von ihnen.... die Freiwilligen, die Besucher... und alle Projekte. Meine Lieblingsprojekte sind der Englischunterricht - ich denke, dieser ist sehr nützlich -, das Fitnessstudio und die Klinik. Ausserdem kann man hier verschiedene Kulturen kennenlernen.
Alem_OHF Security
"Wir teilten unsere Traurigkeit und unser Glück und unsere Geheimnisse - als Familie."

Majd, Koordinator
über den Teambuilding-Workshop

News aus dem Community Center

Ramadan
Unser Zentrum war im vergangenen Monat ungewöhnlich ruhig, da viele BesucherInnen es vorziehen, in den Camps zu bleiben, um ihre Energie zu sparen. Aber am Dienstag- und Donnerstagabend ändert sich das alles, da 500 Besucher aus Moria mit dem Bus zu einem speziellen Iftar-Dinner eingeladen werden, das vom Küchenteam zubereitet wird. In diesen Nächten stellen die Freiwilligen Reihen von Paletten mit bunten Decken auf und verteilen Hunderte von Tellern mit Salat, Huhn und Reis, Datteln und Nüssen, Wasser und Orangen. Während der Gebetsruf die untergehende Sonne signalisiert, beginnen wir gemeinsam zu essen - es ist ein schöner und besonderer Anblick für uns alle.
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Musik verbindet
Alis Gitarrenunterricht trat Anfang letzten Monats vor einem Publikum in den USA auf, das Tausende von Kilometern entfernt war. Über ein Live-Verbindungsystem namens Portal teilte die Klasse ihre Erfahrungen und Musik mit einem Radiomoderator des WCVE Richmond Public Radios in Virginia. Rund 15 SchülerInnen klimperten klassische afghanische Lieder und warfen auch einen modernen Rock-Klassiker ein - das Hotel California. Die Aufnahme wird auf der World Music Show des WCVE ausgestrahlt.

Gedichte in Filme umwandeln
Die Video- und Fotostudentinnen und -studenten von Refocus nähern sich dem Ende ihres dreimonatigen Produktionskurses – dieser verging so schnell! Ihre Fortschritte sind wirklich bemerkenswert. Viele der TeilnehmerInnen haben zuvor noch nie eine professionelle Kamera bedient und drehen und schneiden nun selbständig Kurzfilme! Eine ihrer Aufgaben bestand darin, ein Gedicht mit den in den vergangenen Wochen erworbenen Fähigkeiten visuell zu präsentieren. Eine reine Frauengruppe tat dies, indem sie einen eindringlich schönen 2-minütigen Film schuf, der auf einem Gedicht über Widerstandsfähigkeit des einflussreichen afghanischen Dichters Rumi basiert.

Kinder sehen Früchte ihrer Arbeit
Schüler und Schülerinnen der School of Peace kehrten nach zweiwöchigen Ferien in den Garten zurück, um zu sehen, wie die von ihnen gepflanzten Setzlinge zu wachsen beginnen und Früchte tragen! Rund 100 Kinder sind in den letzten Monaten im Garten für den täglichen naturwissenschaftlichen Unterricht mit unserem Partner Better Days schmutzig geworden. Ihre Ernte wurde stolz der Küche überreicht, um unseren Besuchern und Besucherinnen köstliche Gerichte zuzubereiten.

Koordinatoren gehen auf Teambuilding-Reise
Ein starkes Team ist entscheidend für das Funktionieren eines jeden Arbeitsplatzes und das ist wohl auch nirgends wichtiger als im OHF. Deshalb haben unsere Koordinatoren und Koordinatorinnen Akis, Fifie, Nicolas, Yahia, Gerasimos, Majd und Julia letzten Monat ein zweitägiges Seminar in Molyvos besucht, um ihre Ideen, Gedanken und Erinnerungen miteinander zu teilen.
Mit den Worten unserer neuesten und jüngsten Koordinators Majd: "Wir teilten unsere Traurigkeit und unser Glück und unsere Geheimnisse - als Familie."

Bild des Monats

Wie nachhaltig ist One Happy Family?
Mitte März trafen sich BesucherInnen des Gemeindezentrums, HelferInnen, Freiwillige, Partner vor Ort und Koordinatoren zu einem dreistündigen Workshop im Open Space in Mytilini. Das Hauptziel des Abends war es, den Einfluss des OHF auf die Nachhaltigkeit für alle sichtbar zu machen. Die Frage war, ob die Auswirkungen positiv oder negativ sind.
Die Teilnehmer wurden durch den Fragebogen (Projekt-Check) geführt, der freundlicherweise von der Internationalen Bodenseekonferenz zur Verfügung gestellt wurde.

Die folgende Grafik zeigt die Ergebnisse der Folgenabschätzung und damit die geschätzten Auswirkungen von One Happy Family auf die vier verschiedenen Bereiche der Nachhaltigkeit. Die Ergebnisse basieren auf der Wahrnehmung der Teilnehmer und ersetzen somit nicht strukturierte Feldforschung und quantitative Messungen.
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"Was fällt dir auf?", wurden die Teilnehmer gefragt. Sie erklärten, dass es in allen vier Bereichen Verbesserungsmöglichkeiten gibt, aber der dringendste ist Umwelt und Ressourcen. Die Teilnehmer hatten viele tolle Ideen, die das OHF nachhaltiger machen könnten.
Unabhängig vom Workshop wurden einige davon bereits in den letzten zwei Monaten umgesetzt. Zum Beispiel ein Bus-Shuttle-Service und Leihfahrräder.

Aus dem Workshop ist eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Eco Hub ("Together for Better Days") hervorgegangen. In einem ersten Schritt implementierten sie ein Mehrwegbechersystem für alle Freiwilligen des OHF. Aktuell haben wir die Mehrwegbecher während des Ramadans. Der Plan ist jedoch auch nach Ramadan Mehrwegbecher für die HelferInnen/Freiwilligen anzubieten und in einem zweiten Schritt für die BesucherInnen (Bedingung dafür ist jedoch, dass wir genügend Becher bekommen und zurückbekommen).

Sollte der Workshop heute wiederholt werden, würde sich der Bereich Umwelt und Ressourcen in der Grafik höchstwahrscheinlich positiver entwickeln.

Was kannst du tun, um das OHF nachhaltiger zu machen? Wir sind gespannt auf eure Inputs.
Impressum
Content: Bethany Rielly, Capucine Coninx, Valentin Denzler, Jael Tobler
Date: 28.05.2019
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