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overview from OHF

One Happy Family

März 2020

Da die Situation auf Lesbos bereits weit hinter der Belastungsgrenze liegt, bringen wir euch einen Newsletter in einem anderen Stil. Wir möchten euch über die aktuelle Situation und die Bedeutung für One Happy Family auf dem Laufenden halten.

Es tut uns leid - das OHF war ab Dienstag letzter Woche vorübergehend geschlossen. Unser Plan ist es das OHF ab Dienstag, dem 3. März, wieder zu öffnen.
Wir stehen in Solidarität mit den Menschen von Lesbos.

Keine Camps mehr, keine Gewalt mehr! Wir unterstützen die sofortige Überstellung von Asylsuchenden und Geflüchteten auf das Festland und in andere europäische Länder.

Die Schliessung unseres Gemeinschaftszentrums ist für uns immer die letzte Option. Wir wollen, dass das OHF ein sicherer Ort für jede/n einzelne/n unserer BesucherInnen ist. OHF ist ein Ort, an dem man sein kann anstatt im Lager zu bleiben, an dem man etwas Neues lernen kann, an dem man sich ausruhen kann, an dem man menschlich behandelt wird. Vor allem, ein Ort, an dem man sich sicher fühlen kann. Deshalb geben wir schweren Herzens bekannt, dass wir ab Dienstag letzte Woche geschlossen waren.

Leider drängen uns die derzeitigen Bedingungen dazu. Die Situation auf Lesbos (und den anderen griechischen Inseln, insbesondere Chios und Samos) ist entsetzlich. Es leben mehr als 20'000 Menschen in und ausserhalb von Moria RIC. Diese Menschen sitzen auf der Insel fest und warten darauf, dass ihr Asylantrag bearbeitet oder beantwortet wird. Sie leben unter unmenschlichsten und unwürdigsten Bedingungen, direkt vor der Haustür Europas. Die EinwohnerInnen von Lesbos leiden. Diese Krise dauert schon seit 5 Jahren an. Sie waren warmherzig und gastfreundlich zu den Menschen, die auf ihre schöne Insel gekommen sind. Sie haben Projekte und Menschen aus der ganzen Welt unterstützt. Aber viele sind jetzt müde, sie leiden und sie haben genug.

Es gab Proteste von vielen verschiedenen Gruppen auf der Insel. Alle kämpften aus unterschiedlichen Gründen, aber alle wollten das gleiche Ergebnis. Manchmal sind diese Gruppen gewaltvoll aufeinandergestossen, da sie nicht sehen, dass sie das Gleiche wollen: die Freiheit, die Insel zu verlassen. Bei vielen dieser Proteste wurde von der Polizei Tränengas und Gewalt angewendet - sowohl gegen die lokale Bevölkerung als auch gegen die Geflüchteten.

Die Bevölkerung des Camps Moria hat erneut gegen die unmenschlichen Bedingungen protestiert, unter denen sie in Moria leben müssen. Auch die lokale Bevölkerung von Lesbos hat gegen die schlechten Bedingungen protestiert, unter denen Geflüchtete und Asylsuchende leben. Sie schreien um Hilfe aus Europa - sie wollen nicht, dass ihre Insel in ein Camp verwandelt wird, sie sind wütend, müde und leiden.
Die griechische Regierung hat dennoch mit den Arbeiten an dem neuen geschlossenen Lager in Matamados begonnen. Dies hat das Fass für die lokale Bevölkerung zum Überlaufen gebracht. Es kam zu Unruhen zwischen der örtlichen Polizei und den BewohnerInnen von Lesbos. Die griechische Regierung schickte die Bereitschaftspolizei aus Athen, um ihre Entscheidung zu untermauern, mit ihrem Plan für dieses neue geschlossene Lager fortzufahren - trotz des klaren "Nein, es ist genug" der Einheimischen.
Die Spannung auf der Insel ist spürbar: Wir wollen, dass ALLE BewohnerInnen der Insel sicher sind.

Wir wollen, dass die Menschen in ihren eigenen Ländern sicher sind, dass sie sicher sind, wenn sie das Bedürfnis verspüren, in eine andere Region der Welt zu ziehen, dass sie sicher sind, wenn sie irgendwo anders ankommen und um Asyl bitten. In der gegenwärtigen Situation können wir die Sicherheit unserer lieben BesucherInnen und HelferInnen in unserem Gemeinschaftszentrum nicht garantieren. Wir hoffen, dass wir unseren sicheren Raum so bald wie möglich wieder öffnen können. Wir werden die Situation genau beobachten und unsere Pläne entsprechend anpassen.

Bitte verfolge die Situation auf den griechischen Inseln und teile sie der Welt mit.

Die griechischen Inseln brauchen eine Lösung, die die Menschenrechte aller berücksichtigt!
Griechenland kann damit eindeutig nicht allein fertig werden; Europa muss handeln!

#NotMyEurope

Was kannst du tun?

Informiere dich über die Situation, in sozialen Medien, in Zeitungen usw.
Versuche, verschiedene Medien zu lesen, um ein ausgewogenes Bild zu erhalten, und finde immer heraus, was der Hintergrund und die Geschichte eines jeden Medienunternehmens ist. Lies Medienartikel aus verschiedenen Ländern und von verschiedenen politischen Seiten, verwende bei Bedarf Google Translate. Nachrichten, die in den sozialen Medien ausgetauscht werden, bieten nahezu Echtzeit-Updates, aber sei dir bewusst, dass der Inhalt, den du siehst, selektiv und sehr einseitig sein kann. Die Algorithmen in den sozialen Medien sind so konzipiert, dass sie dir mehr von den Dingen zeigen, die dir gefallen und denen du folgst, um deine Zeit, die du auf deinen Plattformen verbringst, zu maximieren, um dir mehr Werbung zu präsentieren, womit letztendlich Geld verdient wird, also sei dir einfach der Mechanismen hinter den sozialen Medien bewusst.

Wenn du in den Sozialen Medien Formen von Hassreden oder Rassismus begegnest, melde es bitte.
Social-Media-Plattformen haben Tools eingeführt, mit denen man dies recht einfach melden kann, und je mehr Leute, desto schneller können Beiträge und Berichte entfernt werden. Lass dich nicht auf Diskussionen mit nur giftigen Menschen ein, es wird ihre Meinung nicht ändern und nur die Sichtbarkeit ihrer Beiträge erhöhen ("Füttere die Trolle nicht"). Die folgenden Leitfäden (mit Screenshots) zeigen dir, wie du einen Beitrag melden kannst: https://lifehacker.com/how-to-identify-and-report-hate-speech-on-social-media-1831018803 und https://www.coe.int/en/web/no-hate-campaign/reporting-on-social-media-platforms.

Sensibilisiere die Menschen in deinem Umfeld für die Situation.
Die Gründe, warum es diese und ähnliche Situationen gibt, sind sehr komplex und es gibt keine einfache Antwort oder Lösung, aber es betrifft alle. Entscheidungen werden auf einer politischen Ebene in der obersten Ebene getroffen, aber Politiker werden vom Volk gewählt, und Unternehmen, die die Politik beeinflussen könnten, sind von den Verbrauchern ihrer Produkte und Dienstleistungen abhängig. Es ist wichtig, die Verantwortlichen über die Geschehnisse zu informieren, Fragen zu stellen und auf Aktionen zu drängen. WENN du in einer politischen Partei bist, versuche, das Thema ganz oben auf ihre Tagesordnung zu setzen. Wenn du Abgeordnete (Parlamentsmitglieder) kennst, schreibe ihnen. Lass’ Journalisten wissen, dass sie über die Situation berichten sollten. Erzähle deinen Freunden davon. Es gibt Extremisten auf allen Seiten des politischen Spektrums, aber es gibt eine grosse Gruppe von Menschen in der "Mitte", die noch keine Meinung haben, nicht zur Wahl gehen oder nicht wissen, wie sie handeln sollen.
Bitte weiter teilen!

Neuigkeiten aus dem Community Center

Erhöhte Besucherzahlen und Verbesserung der Sicherheit
Die Zahl der BesucherInnen, die täglich ins OHF kommen, ist enorm gestiegen. Bei fast 1'000 BesucherInnen pro Tag sind wir um die Sicherheit vor Ort besorgt und haben uns dazu veranlasst, zu überlegen, ob wir unsere Kapazitäten auf eine bestimmte Anzahl von Personen pro Tag beschränken müssen. Wir haben noch nichts entschieden, da wir wollen, dass das Gemeinschaftszentrum ein zugänglicher und offener Raum für alle ist. Die Sicherheit ist eines unserer Hauptanliegen, und angesichts der aktuellen Entwicklungen auf der Insel ist dies etwas, auf das wir möglicherweise reagieren müssen.

Kontrolle der NGOs
Die griechischen Behörden haben vor kurzem den Registrierungsprozess der auf der Insel tätigen NGOs wieder aufgenommen. Wir haben in der Vergangenheit erlebt, dass einige NGOs aus verschiedenen Gründen von den Behörden geschlossen wurden. Wir waren uns immer bewusst, dass wir mit den lokalen Behörden kooperativ und transparent zusammenarbeiten wollen.

Angesichts der hohen Spannungen auf der Insel erhielten wir einen Besuch der lokalen Behörden, um das Gemeinschaftszentrum zu überprüfen. Die Behörden liefen durch die Einrichtung, nahmen die Namen der am Projekt beteiligten Personen auf und überprüften alle unsere Registrierungsunterlagen, einschliesslich der individuellen Registrierungsunterlagen. Die Behörden schienen mit unserer Zusammenarbeit zufrieden zu sein. Dennoch hat es uns ein wenig beunruhigt - wir sind uns nicht sicher, was vor uns liegen könnte.

Media Updates

Hier findest du eine Auswahl von detaillierten Nachrichtenartikeln zur aktuellen Situation. Trotz der angespannten Stimmung ist es ermutigend zu sehen, dass dies in Europa Schlagzeilen macht.

Demonstrationen

Efstratios Tzimis, der stellvertretende Bürgermeister von Mytilene, Lesbos, erklärt: "Es ist eine sehr schlechte Wendung der Ereignisse, wenn sich die Griechen gegen die Griechen wenden".

http://www.ekathimerini.com/249126/article/ekathimerini/news/migrants-clash-with-police-at-protest-rally-on-lesvos

https://greekcitytimes.com/2020/02/27/local-protestors-and-police-injured-during-second-day-of-clashes-in-lesvos/

https://www.theguardian.com/world/2020/feb/25/police-and-protesters-clash-on-greek-islands-over-new-migrant-camps

Pläne für das neue Camp

Der Standort für das geschlossene Flüchtlingslager liegt in der Nähe von Matamados, etwa 45 Autominuten nördlich von Mytilini.

https://www.aljazeera.com/news/2020/02/greece-start-setting-closed-migrant-camps-200210205413986.html

https://www.theguardian.com/world/2020/feb/17/greece-pauses-plans-for-new-refugee-detention-centres-on-islands

Schwierigkeiten im Asylverfahren

https://www.pri.org/stories/2019-11-05/greece-s-new-asylum-law-poses-continuous-traps-refugees

Was geschieht in der Türkei und in Syrien?

Während wir diesen Newsletter schreiben, wird in den Nachrichten aus der Türkei behauptet, dass die Türkei ihre Seite des Abkommens zwischen der EU und der Türkei nicht mehr aufrechterhalten wird. Es gibt fast 1 Million syrische Flüchtlinge, die darauf warten aus Syrien in die Türkei zu gelangen. Die Streitkräfte des Assad-Regimes nähern sich Idlib und der Umgebung. Da das Regime türkische Soldaten im Kampf getötet hat, scheint es, dass Erdogan genug davon hat. Erdogan wird offenbar die türkisch-syrische Grenze für 72 Stunden öffnen. Er hat deutlich erklärt, dass die Türkei keine weiteren 1 Million Flüchtlinge unterstützen kann. Die Türkei wird den Zustrom von Asylsuchenden nach Europa nicht mehr aufhalten.
Das wird das Feuer auf den Ägäischen Inseln anheizen.
Es könnte ein Weckruf sein, so dass Europa endlich HANDELN wird.

https://www.theguardian.com/world/2020/feb/28/tensions-rise-between-turkey-and-russia-after-killing-of-troops-in-syria

http://www.ekathimerini.com/250045/gallery/ekathimerini/news/border-crackdown-amid-concerns-over-turkey

https://greece.greekreporter.com/2020/02/28/hundreds-of-migrants-march-towards-greece-as-turkey-opens-gates/

https://foreignpolicy.com/2020/02/27/un-wont-protect-syrian-refugees-save-idlib-eu-nato-can/
Wir hoffen, dass wir im nächsten Monat wieder in einem «normaleren» Zustand sind und euch über all die grossartigen Dinge, die im One Happy Family geschehen, auf dem Laufenden halten können.

Noch einmal, von ganzem Herzen, danken wir euch für eure kontinuierliche Unterstützung und euren Glauben an uns.
Impressum
Inhalt: Nicolas Perrenoud, Bridget Chivers, Jael Tobler
Datum: 28.02.2020
One Happy Family | https://ohf-lesvos-org | info@ohf-lesvos.org | @ohflesvos
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